von Michael Link

Schon wieder ist ein Chorjahr rum! Und? Wie wars so? Ach, danke, gut. Moment, also nee! So einfach war es dann doch nicht. Was so alles passiert ist, lässt sich gut aus unseren Chatnachrichten ablesen. Es waren Hunderte, dazu noch Videos und Bilder, die an uns vorbeiflimmerten. Wer keine Zeit hat, alles zu lesen: Wir sind nicht so oft aufgetreten, wie wir wollten, und wir hatten viel mit Krankheiten zu kämpfen, aber auch wieder viel Spaß, besonders bei unserer allerersten Chorfreizeit. Nun die Langfassung:

Am 16. Januar wurde der Kontorchor fünf Jahre alt. Huch, das ging schnell. Gerade eben noch, im Jahr 2019, haben wir gedacht, wir können nicht singen und plötzlich kamen mit Michael und Nick zwei gute Feen und haben uns gezeigt, dass es doch wirklich jeder kann, mit ein bisschen Hilfe natürlich. Aber auch Mut, sich auszuprobieren, mal was zu wagen, mal ganz was Verrücktes zu tun!

Vergleicht man die Stücke und Aufnahmen davon mit dem, was wir heute singen, erkennt man, wie viel sich verändert hat: Aus manchmal vorsichtigen Stimmen sind selbstbewusste geworden, aus zu lauten sind Stimmen geworden, die sich auf einen Dirigentenwink zu einem gemeinsamen Chorklang formen. Ja, und wir können jetzt auch Dynamik, also das Spiel mit laut und leise. Das Jahr 2024 sollte etwas ganz Besonderes werden. Das wurde es auch, in vielerlei Hinsicht.

Frühe Töne

Schon am 7. Februar ging es wieder los mit dem Konzert „Wintertöne“ in der Hainholzer Kirche St. Marien. Als Kurzprogramm zum Thema „Liebe in allen Facetten“ steuerten wir fünf Lieder bei, dazu verlangte das Publikum noch eine Zugabe.

Gleich danach sollte es mit Volldampf weitergehen, doch – o weh! – krankheitsbedingt fiel unsere Stimmbildung ins Wasser. Das war ein Vorbote für das ganze Jahr, denn immer wieder dezimierten miese kleine Krankmacher unsere Reihen und ließen nicht nur manchen Probentermin ausfallen, sondern auch manchen Auftritt. Insgesamt waren diese Fehlzeiten dennoch nichts im Vergleich zur düsteren auftritts- und teils probenlosen Zeit während der Pandemie. Doch wieder zurück zum Protokoll …

Im Märzen der Bauer nicht nur die Rösslein anspannt. Wir haben überdies mit dem Lauftraining begonnen, um einen Hügel zu erklimmen. Außer dem Gassenhauer „Running Up that hill“ von Kate Bush waren auch andere Songs im Gärbottich. Sie wurden immer wieder geprobt, unterbrochen von intensiven Auffrischungen und Weiterbearbeitungen eigentlich schon bekannter Lieder. Mehr Dynamik, einen bessere Artikulation, mehr Präzision auch bei schnell zu singenden Texten: An allem feilten Michael und Nick gemeinsam. Teilweise waren es anstrengende Proben.

Zu Ostern gab es dann für uns kein Lamm, sondern die Noten für ein besonderes Schwein, genannt „Spider Pig“. Es hinterließ laut einem Clip der US-Serie „Die Simpsons“ unerklärliche Spuren auf der Kirchendecke.

Heiter bis wolkig

Am 15. März zierte der Entwurf eines Flyers für unsere erste Chorfreizeit die Timeline unseres Chatkanals. Im Juni sollte es nach Hustedt bei Celle gehen. Wir freuten uns, einige dachten aber auch schon daran, dass sie danach wohl wochenlang Stimmbändermuskelkater oder so haben könnten.

Im April ereilte uns die eigentlich erfreuliche Nachricht, dass wir nun die optimale Füllstandshöhe für den Chor erreicht haben und erst mal keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen können. Wir hätten vermutlich für jede Männerstimme eine Ausnahme gemacht. Für einige Proben versammelten wir uns kuschelig im Stimmkontor. Der April sah uns außerdem gemeinsam beim Griechen essen, nachdem wir vorher den Noten gezeigt hatten, wo der Schlüssel hängt.

Es läuft aber nicht immer alles wie ein Bächlein zum Fluss. Eine denkwürdige Probe Ende April veranlasste unseren Chorleiter, sich für eine seiner Meinung nach nicht optimale Anleitung zu entschuldigen. Ein Großteil hatte das indes gar nicht so empfunden. Wer als Chor hoch fliegen will, muss dafür eben ordentlich flattern. Die Stückeauswahl, bei der wir ungewöhnlich große Mitspracherechte haben, war gegenüber den Gründungszeiten klar anspruchsvoller und uns wird deutlich: Das erfordert Konstanz bei den Proben und dass man sich mit dem Übematerial auseinandersetzt.

Sommernachtstraum

Die Wochen gingen ins Land. Zwischendurch stimmten wir uns auf die Chorfreizeit ein. Die kam dann Anfang Juni. Berichte darüber würden Bände füllen. An dieser Stelle genügt es zu sagen, dass es eine perfekte Balance war: aus Socializing, einigen intensiven und abwechslungsreichen Proben, Zeit zur Erholung sowie aus gutem Essen und viel Spaß bei der abendlichen Suche nach dem Werwolf. Nachdem die Pflichtteile absolviert waren, hatten einige spezielle Darbietungen in Gruppen beziehungsweise Duetten vorbereitet, und den krönenden Abschluss bildete ein Rudelsingen – lang und schmutzig mit Zappeln und schrägen Tönen.

Der Rhythmus des Lebens fand auch auf anderem Weg Einlass in unser Programm. Und zwar in Form einer recht drastischen didaktischen Demonstration. Wir sahen uns plötzlich in Gruppen eingeteilt und in Räume verfrachtet. Der Auftrag: Erarbeitet euch in einer Viertelstunde einen Ausschnitt aus dem Chortitel „Rhythm of Life“ selbst, also ohne Anleitung. Erstaunlich war, dass wir das geschafft haben. Anschließend fügten wir alles zu einem Chorstück zusammen und fanden das Ergebnis gar nicht mal so ganz schlecht. Dass wir dieses Stück, rasend schnell gesungen – besonders eine Passage für den Sopran – das ganze restliche Jahr noch am Wickel haben würden und es auch noch 2025 noch eine Rolle spielt, ahnte niemand. Auch nicht, dass es wegen der vielen Tonartwechsel fies und tückisch werden würde. Nun ja, die Feedback-Pinwand war gut gefüllt und nächstes Jahr rotten wir uns wieder zusammen, das steht schon fest.

Noch im Schwung des Chorwochenendes kündigten wir zu Ende Juni eine Werkschau des Kontorchors im Von-Alten-Park an. Es war drückend heiß und viele, die erst nach der C-Zeit zu uns stießen, hatten noch nie im Freien gesungen. Personell waren wir durch ein Viertel Absagen ausgedünnt. Das merkte man, weil einiges doch beim ersten Anstimmen ungewohnt schräg klang. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir von den zahlreichen Speisen und Getränken abgelenkt waren, die direkt vor uns auf den Decken des Publikums ausgebreitet waren. Tomaten und Eier flogen aber keine in unsere Richtung und Applaus und Lob erhielten wir am Ende auch: Man registrierte nicht nur unsere Stimmen, sondern auch die gute Stimmung untereinander. Damit ging es in die Ferien.

Vor dem (ausgefallenen) Doppelkonzert

Mitte August standen wir wieder in der Aula. Schon nahte der 6. September. Zu diesem Termin wollten wir was Verrücktes tun und an einem Abend gleich zweimal auftreten, nämlich in der langen Nacht der Kirchen. Doch erneut spuckte uns Äskulap in die Suppe und sandte Krankheiten aus. So wurde es leider nichts mit unserer Teilnahme. Nach zwei ausgefallenen Proben ging es Anfang September weiter. Wir waren froh, wieder singen zu können. Im Chat danach quittierte Michael: „Das war Mega Leute!!!!!!!!!“ ­– mit nicht weniger als neun Ausrufezeichen – was eher selten ist.

Zwei Extraproben sollten uns helfen, die im August entfallenen Proben aufzuholen. So geschah es. Wieder war jeweils nur ein Teil von uns dabei: Ferien, Arbeit, Krankheit – all das warf sich uns in den Weg. Trotz der Herbstferien hatten wir viel zu tun, aber auch viel Spaß beim Festigen, beim Üben der Einsätze und bei Tempowechseln in dem einen oder anderen Lied. Für zwei Stücke wurden Freiwillige für einen Splitterchor gesucht. Die fanden sich schnell und übten schon mal daheim dafür.

Im Oktober kam unser Lieblingsfotograf Daniel zur Probe. Er schoss fantastische Aufnahmen. Die nutzten wir als Werbung fürs Jubiläumskonzert „Winterreise“. Was wir dort singen wollten, wurde noch mal erregt diskutiert und manches Lieblingslied musste schweren Herzens gestrichen werden. Andererseits ergänzten wir ein paar unserer Weihnachtsklassiker. Während der Chorfreizeit im Sommer hatten wir eigentlich festgelegt, dass wir kein klassisches Weihnachtskonzert wollten. Aber irgendwie fehlte uns dann doch ein bisschen Lametta.

Das Jubiläum naht

Ende November gönnten wir uns am Freitagnachmittag und Sonnabend noch mal Chortage im Hainholzer Gemeindezentrum. Die Kirche war uns vertraut und so konnten wir noch mal in der halligen Akustik singen. Erneut bogen sich nach intensiven Proben die Tische von dem, was wir an Schalen, Schüsseln und Tellern zum gemeinschaftlichen Essen mitgebracht hatten. Am Ende des Sonnabends fühlten wir uns gut und gewappnet fürs Konzert.

Die verbliebenen Proben litten vielleicht unter dem Vorweihnachtsstress. Es liefen plötzlich Dinge nicht mehr rund, die wir sonst im Schlaf können. Auch die eine oder andere Krankheit führte dazu, dass wir stets mit recht kleiner und teils wechselnder Besetzung probten. Daher ging auch Zeit mit Wiederholungen verloren, die man sonst eher für den Feinschliff genutzt hätte. Und so kam es, wie es kommen musste: Die Generalprobe zwei Wochen vor dem Konzert ging grandios daneben.

In einer  weiteren Probe vor Ort hatten wir aber noch Gelegenheit, unsere Ehre wieder herzustellen. Dazu reisten Nick und Michael extra einige Hundert Kilometer an und nach der Probe auch wieder zurück. Na ja, wir waren leider nur so semi-gut. Was war nur los mit uns? Erklären konnte das niemand. Wir ahnten: Wenn das ein Test vor der Abi-Klausur war, wusste nun alle, wo sie noch mal spicken mussten.

Drama, Baby! Drama!

Als symbolhafte Krönung unseres Jahres mussten wir abermals durch Krankheiten auch noch auf die letzte Probe vorm Konzert verzichten und dann kam es knüppeldick. Denn zum Konzert musste Nick passen. Er sollte eigentlich ein paar Stücke durch Herumfuchteln mit seinen Händen und durch seinen unnachahmlichen, aber hochwirksamen Ganzkörpereinsatz dirigieren. In anderen Stücken hofften wir auf seine Klavierbegleitung. Als wenn dieser Ausfall nicht schon schlimm genug gewesen wäre, trudelte am Tag des Konzerts auch noch die Absage von Christina ein. Dabei hatte sie sich lange und intensiv vorbereitet, um als Sopranistin einen tollen Solopart im Song „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros zu singen! Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben – das wird auf jeden Fall super.

 

Dennoch: Für uns hieß es Stunden vor dem Konzert, die Planung über den Haufen zu werfen und so wurden zwei Stücke gestrichen, für die Nicks Klavierarbeit unerlässlich gewesen wäre. Auch den Ablauf hat Chorleiter Michael noch mal durcheinandergewürfelt. Bei „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros ließen wir das Publikum wie in einer Werkschau aber schon mal den erarbeiteten Refrain hören.

An dieser Stelle zum Jubiläumskonzert nur so viel: Als das von Britta organisierte wunderschöne 3D-Druck-Schwein dem Publikum gezeigt wurde und Meike nach Schweinespuren an der Kirchdecke fragte, hat es „klick“ gemacht. Wir spulten das Konzert ab und hatten so viel Spaß auf der Bühne wie sonst auch. Fürs Publikum unsichtbar signalisierte Chorleiter Michael vor dem Bauch ein Herzchen nach dem nächsten für uns. Unsere Splitterchöre mit „Anti Hero“ und dem Refrain zu „Ich liebe das Leben“ sowie das Duo von Regina und Michael (Urmel) erhielten ebenfalls donnernden Applaus und nach diversen Zugaben war das Konzert wie immer für uns viel schneller vorbei als gedacht.

Beim Essen im Lokal „Spandau“ ließen wir das turbulente Chorjahr dann ausklingen. Für viele von uns gab es am Wochenende noch mal die Aktion „Musik für Kinder“, bei der wir den ganzen Tag lang für Senioren, Heimkinder und Kinder im Krankenhaus sangen, aber auch spontan in der Stadtbahn und im Bahnhof. Das ist eine andere Geschichte.